Veranstaltungen 2017
Semestereröffnung des Fachbereichs Evangelische Theologie
am 18. 04. 2017 in der Aula der Alten Universität Marburg
am 18. 04. 2017 in der Aula der Alten Universität Marburg
Vortrag von Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler: „Flucht. Auf Spurensuche im mittelalterlichen Kairo“.
Im Anschluss: Würdigung des Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Hans-Jürgen Greschat zum 90. Geburtstag.
Im Anschluss: Würdigung des Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Hans-Jürgen Greschat zum 90. Geburtstag.

Anschließend übergab Voigt das Wort der Prodekanin Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler (Religionsgeschichte) für ihren umfassenden Vortrag.


Als grundsätzliches Muster bildete sich heraus, so fuhr Beinhauer-Köhler fort, dass Flüchtlinge innerhalb ihrer Religionsgemeinschaften ihren dauerhaften Aufenthalt in Kairo fanden. Aber nicht im Sinne einer modernen individualisierten Gesellschaft, in der der Einzelne in einem übergeordneten Staat durch dessen Institutionen einen gesicherten Lebensraum fand, sondern viel mehr auf der Grundlage der Einbindung in ein Patronatssystem mit einer „Textur einzelner Netze ethischer und religiöser Gruppen“.
So schloss Beinhauer-Köhler ihren Vortrag mit dem Satz, dass die islamisch geprägte Kairoer Gesellschaft im Zeitraum des klassischen Islam mit seinen internationalen sozialen Netzen und kulturellen Verständigungen äußerst dynamisch war.
Im Anschluss leitete Frau Beinhauer-Köhler zur Würdigung des 90. Geburtstages von Prof. Dr. Greschat über.
Würdigung von Prof. Dr. Hans-Jürgen Greschat
durch die Prodekanin Beinhauer-Köhler

Wohl noch bedeutender wurde für Greschat der seit 1962 in Marburg tätige Lehrer Ernst Dammann, welcher gleichzeitig Religionsgeschichte und Afrikanistik lehrte. Hier bildete Greschat seinen philologischen Schwerpunkt aus, der bis vor wenigen Jahren in der Religionswissenschaft gängig war. Es war bei Greschat aber nicht eine klassische Kultursprache wie das Arabische, Sanskrit oder Chinesische, sondern er lernte Kisuaheli.
Greschat promovierte 1966 in Marburg über „Ursprung und Ausbreitung der Religion der Kitawala Bewegung in Zentralafrika“. Im gleichen Jahr ging er nach Nigeria, wo er an der University of Nigeria in Nsukka als senior lecturer für Religionsgeschichte und -wissenschaft tätig war. Dort lernte er die Sprache der Igbo, über deren Sprache er seine Habilitation verfassen wollte. Doch beim Ausbruch des nigerianischen Bürgerkrieges musste er alle Unterlagen zurücklassen.
In Marburg wurde Greschat Assistent von Dammann und wurde 1971 mit einer Grundlagenstudie über westafrikanische Propheten habilitiert. 1968 gaben Prof. Dr. Greschat und Prof. Dr. Jungraithmayr die Zeitschrift „Africana Marburgensia“ heraus und ab 1970 die Buchreihe „Marburger Studien für Afrika und Asienkunde“. Greschat war für 17 Jahre Professor des Faches Religionsgeschichte.
Grußwort des Afrikanisten Prof. Dr. Herrmann Jungraitmayr

1962 bekam Prof. Dr. Dammann (als Nachfolger von Prof. Dr. Heiler, der in der Theologischen Fakultät die Religionswissenschaft vertrat) die Anregung von Rudolf Otto (Seminar der Orientalistik), eine Abteilung für Afrikanistik einzurichten. Greschat übernahm neben der Religionswissenschaft auch diese Stelle, bis sie Jungraithmayr 1963 weiterführte.
Die folgenden zwei Jahrzehnte, so fuhr Jungraithmayr fort, standen unter einem guten Stern für gemeinsame wissenschaftliche Aktivitäten und er verwies u. a. auf die Zeitschrift „Africana Marburgensia“, die 1968 eröffnet wurde sowie auf die 1973 gegründete Reihe „Monografien und Asienkunde“. Davon erschienen über 50 Bände. 1974 kam Greschats Habilitationsschrift „Westafrikanische Propheten“ heraus, aus dessen Vorwort Jungraitmayr zitierte:
Die folgenden zwei Jahrzehnte, so fuhr Jungraithmayr fort, standen unter einem guten Stern für gemeinsame wissenschaftliche Aktivitäten und er verwies u. a. auf die Zeitschrift „Africana Marburgensia“, die 1968 eröffnet wurde sowie auf die 1973 gegründete Reihe „Monografien und Asienkunde“. Davon erschienen über 50 Bände. 1974 kam Greschats Habilitationsschrift „Westafrikanische Propheten“ heraus, aus dessen Vorwort Jungraitmayr zitierte:
„Als ich 1966 Nachfolger von Harold W. Turner an der University of Nigeria in Nsukka wurde, übernahm ich zugleich ein von ihm begonnenes Archiv sowie seine Funktion bei der Study Group on Independent Churches in Uyo. Beides brache mich rasch in regelmäßigen und intensiven Kontakt mit nigerianischen Propheten und ihren Gruppen. Historische Dokumente aus den National Archives in Enugu ergänzten Schriften von und über einzelne Propheten sowie deren mündlich gegebene Auskünfte.
Dann brach ein Jahr später der sogenannte Nigerianische Bürgerkrieg aus und zerstörte unter anderem auch mein bis dahin zusammengetragenes Quellenmaterial. Was Dokumente anging, stand ich also wieder am Anfang. Da kam mir Dr. Turner wiederum zu Hilfe, der in Großbritannien Dubletten aus dem Archiv von Nsukka aufbewahrte. Für andere Belege konnte ich auf schon Publiziertes zurückgreifen.“
Dann brach ein Jahr später der sogenannte Nigerianische Bürgerkrieg aus und zerstörte unter anderem auch mein bis dahin zusammengetragenes Quellenmaterial. Was Dokumente anging, stand ich also wieder am Anfang. Da kam mir Dr. Turner wiederum zu Hilfe, der in Großbritannien Dubletten aus dem Archiv von Nsukka aufbewahrte. Für andere Belege konnte ich auf schon Publiziertes zurückgreifen.“
Jungraithmayr verwies auf Greschats Forschungen in Afrika und Asien einschließlich Neuseeland ganz „vor Ort und von Mensch zu Mensch“. Seine Feldforschungen haben ihn zu einem überzeugenden akademischen Lehrer gemacht. Jungraithmayr beendete seine Grußworte mit der Bezugnahme zu einer Frage, die ihm Greschat in einem Brief vor einem Jahr gestellt hatte:
„Es plagt mich die Frage, nach dem Warum und Wozu von so vielen Sprachen und den Schwierigkeiten, die sie bei der Verständigung unter den Völkern bereiten. Wie denken Sie darüber?“
„Es plagt mich die Frage, nach dem Warum und Wozu von so vielen Sprachen und den Schwierigkeiten, die sie bei der Verständigung unter den Völkern bereiten. Wie denken Sie darüber?“
Dazu stellte nun der Sprachwissenschaftler und Afrikanist Jungraithmayr in Anbetracht hunderter von Sprachen die gleiche Frage an den Religionswissenschaftler:
„Warum so viele Religionen. Statt Frieden haben auch sie wie die unterschiedlichen Sprachen über die Zeiten hinweg nur Unfrieden und Kriege über die Menschheit gebracht.“
„Warum so viele Religionen. Statt Frieden haben auch sie wie die unterschiedlichen Sprachen über die Zeiten hinweg nur Unfrieden und Kriege über die Menschheit gebracht.“
Prof. Dr. Jungraithmayr schloss mit seinem Dank über die 50jährige freundschaftliche Verbundenheit.
Grußwort des Theologen Gerhard Marcel Martin
Prof. Dr. Martin richtete als Vertreter der Emeriti sein Grußwort an den Jubilar Hans-Jürgen Greschat, in dem er vorab eine Textprobe seines Buches „Unterwegs zu fremden Religionen“ vorlas:
Polynesien. Maori. Hongi.
Wir, oft in Eile, schütteln Hände,
klopfen Schultern, Küsschen rechts
und Küsschen links.
Sie, ruhig und ohne Hast, legen sanft
Nase an Nase und atmen zusammen.
Das löst innere Sperren. Ihr Treffen mag
einen freudigen oder traurigen Anlass haben,
gemeinsam atmend erleben sie, zusammen da zu sein.
Wir, oft in Eile, schütteln Hände,
klopfen Schultern, Küsschen rechts
und Küsschen links.
Sie, ruhig und ohne Hast, legen sanft
Nase an Nase und atmen zusammen.
Das löst innere Sperren. Ihr Treffen mag
einen freudigen oder traurigen Anlass haben,
gemeinsam atmend erleben sie, zusammen da zu sein.

Martin bezog sich des Weiteren auf einen anderen Sechszeiler im genannten Buch, in dem Greschat in einer Paraphrase des indischen Satipatthāna von Achtsamkeit sprach, „als entspanntes, anhaltendes, weitwinkeliges Wachsein.“
Das könne man auch heute noch von ihm lernen und das gelte für alle seine Teilnahmen an den Emeriti-Treffen und entspreche dem Grundprogramm seines akademischen Ansatzes, dass auch im Zitat zum Ausdruck komme: „In der persönlichen Begegnung von Religionsforschern und Glaubenden treffen zwei Experten aufeinander.“
So die selbstbewusste Bescheidenheit eines Forschers, der auch in der mündlichen und darüber hinaus vorsprachlichen Religionswissenschaft gearbeitet hat und zugunsten der Phänomene nicht „unsere Verwirrtheit durch voreilige Deutungen beseitigen wollte.“
Seine Aktivitäten schienen bisweilen „ostpreußisch wortkarg und verhalten, distanzhaltend engagiert, sach- und personenbezogen treffend und in jedem Fall nicht Konflikte schürend, sondern lösend.“
Zum Abschluss wünschte Prof. Dr. Martin Herrn und Frau Greschat mit dem nigerianischen Gruß: „Kraft, mit der ich, mit der Sie vorankommen.“
Das könne man auch heute noch von ihm lernen und das gelte für alle seine Teilnahmen an den Emeriti-Treffen und entspreche dem Grundprogramm seines akademischen Ansatzes, dass auch im Zitat zum Ausdruck komme: „In der persönlichen Begegnung von Religionsforschern und Glaubenden treffen zwei Experten aufeinander.“
So die selbstbewusste Bescheidenheit eines Forschers, der auch in der mündlichen und darüber hinaus vorsprachlichen Religionswissenschaft gearbeitet hat und zugunsten der Phänomene nicht „unsere Verwirrtheit durch voreilige Deutungen beseitigen wollte.“
Seine Aktivitäten schienen bisweilen „ostpreußisch wortkarg und verhalten, distanzhaltend engagiert, sach- und personenbezogen treffend und in jedem Fall nicht Konflikte schürend, sondern lösend.“
Zum Abschluss wünschte Prof. Dr. Martin Herrn und Frau Greschat mit dem nigerianischen Gruß: „Kraft, mit der ich, mit der Sie vorankommen.“

Zum vergrößern der Bilder bitte Bild anklicken.
Veröffentlichungen von Hans-Jürgen Greschat, Hermann Jungraithmayr,
G. Marcel Martin und Otto Kaiser im Verlag Blaues Schloss:
G. Marcel Martin und Otto Kaiser im Verlag Blaues Schloss:

Unterwegs zu fremden Religionen
Kartoniert: 12 Farbseiten, 80 Buchseiten
ISBN 978-3-943556-42-1
Preis: 11,00 €
Zum Buch:
Diese Texte verweisen auf Wege, die Hans-Jürgen Greschat in
seinem Berufsleben als Religionshistoriker gegangen ist. Sie haben ihn
unter anderem nach Sri Lanka geführt, nach Indien, Thailand, Myanmar,
Hong Kong, Taiwan, Polynesien, Nigeria, Südafrika und South Dakota, USA.
Zu Anfang der Geschichte besaß wohl jede Horde ihre eigene
Religion. Beim heutigen Stand der Entwicklung gibt es noch immer
regional begrenzte Religionen, aber auch solche ohne Grenzen, die sog.
Weltreligionen. überall anzutreffen ist die Unreligion, der Verlust oder
die Negation von Religion. Der Atheismus entstand im Abendland, wo sich
die Religion des Volkes Gottes, die des Sohnes und die des Propheten
Gottes etabliert hatten, während in Indien schon lange die gottlose
Religion des Buddha erblüht war. Kurz gesagt, im Laufe der Geschichte
sind Religionen entstanden und wieder vergangen. Es hat Tausende von
Religionen gegeben und es gibt sie noch heute. Sie konkurrieren mit
einander als Lehrsysteme. Aber deren Anwendung schrumpft auf ein
einziges System von Gut und Ungut zusammen, auf eine Ethik.
Jungraithmayr, Herrmann
Die Dreidimensionalität
afrikanischer Sprachen
Kartoniert: 2 Farbseiten,
3 s/w Abbildungen,
54 Buchseiten
ISBN 978-3-943556-45-2
Preis: 8,70 €

Zum Buch:
Die Erkenntnis der Qualität einer afrikanischen Sprache hängt
wesentlich davon ab, dass man ihre dreidimensionale Struktur wahrnimmt:
Ein Wort aus Konsonant und Vokal wird erst durch den musikalischen,
bedeutungstragenden Ton ein Ganzes. Der Laut- und Tonreichtum
afrikanischer Sprachen sowie ihr hoher Präzisionsgrad sind Ausdruck
einer ursprünglich engen Bindung und Verflochtenheit ihrer Sprecher mit
Natur und Umwelt. Die formenreichen und hoch differenzierten Sprachen
sind Seismographen äußerst sensibler und komplexer
Gesellschaftsstrukturen.
Martin, Gerhard Marcel
Apokalypse
Weltuntergang - innen und außen
Kartoniert, 48 Seiten
ISBN 978-3-943556-12-4
Preis: 7,95 €
Zum Buch:
Religionsgeschichtlich heißt
„Apokalypse“ nicht Weltzerstörung, sondern Enthüllung, Aufdeckung,
Offenbarung destruktiver, aber auch rettender Mächte. Doppeltes Thema
ist Weltende genauso wie Weltverwandlung durch ungeheure
Vernichtungsprozesse hindurch. Apokalypse geschieht außen und innen:
in weltpolitischen Dimensionen und in Visionen von himmlischen und
höllischen Welten. Schon Kant unterscheidet ein natürliches, ein
katastrophisch widernatürliches und ein „übernatürliches“, „mystisches“
Ende aller Dinge. Sind apokalyptische Traditionen gegenwärtig aktuell –
in Politik, Tiefenpsychologie und Theologie? Wo geschieht
„Apokalypse“ heute?
Kaiser, Otto
Martin Heidegger und das einfache Sagen oder Denker und Dichter in dürftiger Zeit
Kartoniert 42 Seiten
2 Farb- u. 3 s/w. Abbild.
ISBN 978-3-943556-32-2
Preis 8,30 €