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Veranstaltungen 2024 Marburg:


„Von Granatäpfeln, Flaschenkürbissen und anderen Arzneidrogen“

 

Heilkundliches aus dem Alten Ägypten

Frau Professorin Dr. Tanja Pommerening
Marburg Café Vetter am 27. Oktober 2024  11:00 Uhr


Papyrus Kahun VI. 1, Seite 2 und 3; medizinischer Papyrus; 12. Dynastie  -
Francis Llewellyn Griffith (1862-1934): https://dewiki.de/b/14bc61   Quelle: Wikimedia Commons, Public domain


„Können wir heute noch von dem überlieferten Wissen der alten Ägypter profitieren?“

Diese Frage stellte die Professorin und Leiterin des Instituts für Geschichte der Pharmazie und Medizin Frau Dr. Tanja Pommerening ins Zentrum ihrer Präsentation, die präzise die alten ägyptischen Arzneimittel und ihre Zubereitungen und Anwendungsweisen sowie die Texte zur Anschauung und zum Verständnis brachte.
 


Zur Aktualität des breiten Interesses der Öffentlichkeit an Ägypten und seine Heilkunde gab Pommerening einige Beispiele aus der Werbung für Arzneiprodukte, bei deren Bestandteile aus Granatapfel, Schwarzkümmel und Flaschenkürbis auf das Wissen der alten Ägypter, wenn auch recht willkürlich, hingewiesen wurde.




Die Texte ägyptischer Heilkunde

Bei der Erforschung wie und wann Arzneidrogen in jener Zeit angewendet wurden, sind die Texte der ägyptischen Heilkunde die wichtigsten Quellen. Aber auch bildliche Darstellungen in Gräbern und Tempeln und zahlreiche Objekte sowie organische und anorganische Bestandteile kommen hinzu und eröffnen ein Wissen über altägyptische  Heilmitteln.
  
„Wobei man diese Quellen natürlich alle in ihrer spezifischen Zeit im jeweiligen Kontext lesen muss“, betont Pommerening.
  
Aus altägyptischer Zeit ist eine sehr große Anzahl von heilkundlichen Texten auf Papyrus, wie z.B. dem Papyrus Ebers, ab dem 19. Jahrhundert vor Christus überliefert.
 



Aufbau der Schriften

Der Aufbau der Schriften folgt einer sich wiederholenden formalen Struktur. Als Beispiel erläuterte Pommerening den einheitlichen Aufbau der Rezepte:
 
 
Die Rezepte lieferten üblicherweise folgende Angaben:
  
Indikation (in roter Farbe dargestellt),
die verarbeiteten Drogen (untereinander aufgereiht)
und dahinter in roter Farbe die Maßangaben.
Dann folgt eine Herstellungsanweisung,
Applikationsweise, und die Anwendungsdauer.
 
 

Insgesamt liegen über 2000 Rezepte vor aus 1400 verschiedenen Bestandteilen aus dem Pflanzen-, Tier- und Mineralreich. In Seminaren wurden einige Rezepte nachbereitet und deren Wirkung überprüft und zum Teil nachgewiesen. Sie können auch für die heutige Wissenschaft von Nutzen sein.  



Der Erfolg der Anwendung besteht aus altägyptischer Sicht in der Umkehr der Symptome. Dazu gab es eine Theorie hinter der Wirkung.










Found in Egypt in the 1870s, the Ebers Papyrus contains prescriptions written in hieroglyphics for over seven hundred remedies.
 

Bild: Papyrus Ebers (Ebers Papyrus)
Leipzig, 1875



Grundlagen der Theorie altägyptischer Heilkunde


Diese Theorie setzte sich folgendermaßen zusammen:
 
 
 dem Konzept, wie sich Krankheitsstoffe im Körper bilden und verteilen konnten.
 Die Abwendung dieses Vorganges durch die Gabe von ihn umwendenden Mitteln.
 Diese bewirkten die Umkehrung (bzw. Rückgängigmachung oder Aufhebung)
             eines unerwünschten Vorganges.
 Bei der Anwendung wird zusätzlich ein magischer Spruch verwendet.
Zauberkraft und Heilmittel bestimmen gemeinsam die erwünschte Wirkung.
         


Grundlage des altägyptischen Systems ist eine Kombination aus:
  
Theorie
Diagnose
Heilmittel
Spruch
       
 
Zudem liegt seit 1600 vor Chr. ein System mit einer ganz präzisen Messung der einzunehmenden Drogen vor. Dieses System der Maßzahlen ist aber durch die Zahlensymbolik mit einem mythischen Hintergrund verknüpft.

 
  Droge
   Messung
   Maßzahlensytem
   Zahlensymbolik
  Mythischer Hintergrund





Herstellungsvorgang eines Arzneimittels auf der Basis von Analogie


Des Weiteren stellte sich der Herstellungsvorgang eines Arzneimittels als Analogiehandlung dar. Sie schuf zwischen dem Heilmittel und dem Patienten eine Verbindung.

  Arzneimittel
 Krankheitserreger
 Analogiehandlung
 Verbindung mit Patient

 Heilmittel
 Zubereitungsweg
 Magisches Verhältnis
 Patient

                  
Die Hauptdroge präsentiert den Krankheitsverursacher, also die Wurzel des Granatapfels entspricht dem Wurm. Durch den Bearbeitungsprozess wird dann die Droge (stellvertretend für den Krankheitserreger) so verändert, dass die Krankheitsstoffe eliminiert oder gedämmt werden. Hinter der Auswahl der Droge und dem Zubereitungsweg steckt also ein magisches Verhältnis.
 



Auch wenn die altägyptischen heilkundlichen Theorien zu Krankheitsstoffen heute nicht korrekt erscheinen, lässt sich doch feststellen, dass
 
Theorie
Beobachtung
Empirie
     
 im alten Ägpyten miteinander verbunden wurden.
 



Für den Erfolg der Wirkungen spielen
 
Wirkkraftsteigerungen durch Sprüche
die Analogie zwischen den Eigenschaften des Heilmittels
     und den Krankheitserscheinungen
     eine elementare Rolle.
   
 
Aber auf der Suche nach historischen Arzneien bedarf es
eines Übersetzers, eines Kundigen,
  
der  im Rahmen der jeweiligen Kultur zu denken vermag
 seinem Perspektivenwechsel
 mit dem Blick von außen auf die Objekte.
   
In ihrer Forschung geht es Prof. Pommerening um die Rekonstruktion der Systeme und Konzepte aus altägyptischer Sicht und zudem um die Frage, wo die spezifischen Unterschiede und die eventuellen Gemeinsamkeiten mit anderen Systemen liegen.


Prof. Pommerening präsentierte in ihrem Vortrag aus einer von ihr rekonstruierten inneren Sicht der alten Ägypter auf heilkundliche Wirkprozesse und deren Zusammenhänge und Begründungen im Vergleich zur heutigen Sicht bei der Herstellung und Anwendung von Medikamenten.





Uni im Café Bd. 10
Friedrich, Christoph
Pharmaziegeschichte –
ein Marburger „Orchideenfach“
Kartoniert, 89 Seiten,
6 Farbabbildungen
7 s/w Abbildungen
2. Auflage
ISBN 978-3-943556-50-6
Preis: 9,90 €





An der Universität Marburg entstand 1965 das einzige Institut für Geschichte der Pharmazie in Europa, dessen erster Direktor der Pharmaziehistoriker Rudolf Schmitz (1918–1992) war. Das Institut bietet seitdem Apothekern und Naturwissenschaftlern die Möglichkeit zu einer Promotion auf wissenschaftshistorischem Gebiet.







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