Veranstaltungen 2017

Lesung von Elke Therre Staal und Kristina Lieschke,
musikalisch begleitet von Manfred Hitzeroth
musikalisch begleitet von Manfred Hitzeroth
Freitag, 21. Juli 2017, 18:30 Uhr, Judizierhäuschen im Schlosspark (Rosengarten)

Orpheus begibt sich ins Totenreich, um seine verstorbene Liebste aus der Unterwelt wieder ins Leben zu bringen.
Kristina Lieschke, Elke Therre-Staal und Manfred Hitzeroth und haben sich davon inspirieren lassen.


Heut` erzähl'n wir
`ne Geschichte
in der ist wirklich alles drin:
von alten Helden, mächt'gen Göttern,
vom Alltag bis zur Hölle hin.
`ne Geschichte
in der ist wirklich alles drin:
von alten Helden, mächt'gen Göttern,
vom Alltag bis zur Hölle hin.
Der Mythos des Orpheus, so Therre-Staal, aufgearbeitet unter anderem von Ovid in seinen Metamorphosen, führe die existenzielle Bedeutung von Kunst − in diesem Fall von Musik und Poesie − vor Augen. Das Wesen der Kunst sei in der Person von Orpheus in wunderbarer Weise dargestellt. Erst der Verlust eines geliebten Menschen, erst Trennung, Abschied und Tod öffne die Herzen für die Schönheit dieses Lebens. Erst im Hinabsteigen in die Tiefen des Totenreiches werde Kreativität als essenziel erfahren, um den Wert und den Respekt vor allen Lebendigen zu begreifen. Erst nach dem Verlust singe Orpheus so tief ergreifend, dass die Tiere sich ihm nähern, und dass die Feindschaften, Rivalitäten, Futterneid, Macht, Gier und Herrschsucht überwunden werden. „Von der Musik angerührt zu werden, verbindet und schafft eine grenzenüberwindende Gemeinsamkeit.“

Nachgedanken zu Orpheus, Eurydike und klingenden Schildkröten

Kann so viel Verlust denn noch ein Gutes bewirken? Die neue Sage geht nun, dass sich die Hirten um die größte Tragödie des großen Tragikers sammelten, seinen entseelten Leib nun als stumme Mahnung sahen, dass die größten Tragödien ungeschrieben bleiben. Um dieser Wahrheit wiederum zu entkommen, so weiter diese Sage, spannte ein großer Barde Alt-Griechenlands über das Haus der Schildkröte Saiten, die kunstvoll die Trauerode auf Aischylos erklingen ließen, damit diese Tragödie über die Tragödie oder damit die Kunst über den Tod doch noch den Sieg davontrage.
Aber der Anfang dieses Endes war wahrscheinlich noch ein anderer. Hermes soll Apollo eine Schildkrötenleier geschenkt haben. Zu dessen Besänftigung! Weil sein Halbbruder Hermes wieder einmal eine Herde von Apollo gestohlen hatte. Dass nun ausgerechnet der findige Hermes der Erfinder der Kunst und das auch noch nach einem Diebstahl, das wirft ein besonderes Licht auf die Kunst oder darauf, dass ihr Schlummerlicht selbst Gottheiten besänftigt und ihren Zorn zumindest auf die Dauer des Gesanges einschläfert, die Wachheit des Barden also die Wachheit der Gottheit trübt − für einen Augenblick. Die Wahrheit danach mag für Dichter, Heroen und Halbgottheiten weniger erfreulich sein. Mag nun Apoll des Surrogats der Kunst nicht so sehr bedürfen oder will er die Gefahr dieses Ursprungsinstruments einfach vom Hals haben? Wie es auch sei. „Hat dieser es nicht sinnbildlich an einer quirligen Quelle dem Pythagoras zum Geschenk gereicht? Der es spielte, hörte und nachsann, und dessen Finger den Abstand von sieben Tönen erfühlten, die ferne Klänge wiederholten und seit ehedem wie zwischen kristallenen Schalen der Planeten erklingen.“


Selbst wenn der Anfang dieser alten Leier nun im Dunklen liegen mag, vielleicht wird wenigstens dann ihr Ende erhellender sein. Zumindest erhellt das Ende Orpheus' die Frage, ob denn Gewalt eine reine Männersache sei. So berichtet Ovid, dass Orpheus in seiner Heimat von „Mänaden“, den berauschten Anhängerinnen des Dionysos, zerrissen wurde. Als Motiv für den grausamen Mord, bei dem der Kopf des Orpheus mit seiner Leier in den Hebros geworfen war, wurde später die Rache der Frauen angeführt, weil Orpheus sich von der Liebe zu Frauen losgesagt habe. Und das stellt die Frage in den Raum, ob der weibliche Zorn über das gewaltsame Begehrtsein der eine sei, aber der Zorn darüber, überhaupt nicht begehrt zu werden, ein mächtig anderer.
Darüber mögen Frau und Mann fleißig für sich oder gemeinsam sinnieren. Und auch über das Ende der Orpheus-und-Eurydike-Geschichte von Kristina Lieschke. Ja, gleichsam wie über einem Rätsel. Nämlich, dass Eurydike in Wut darüber, dass Orpheus beim Verlassen der Unterwelt trotz ihres Rufens sich nicht nach ihr umdrehte, ihm den Ehering so mächtig an seinen Hinterkopf warf, dass Orpheus, das Verbot vergessend, sich unwillkürlich umdrehte, was Eurydikes endgültiges Versinken im Hades bewirkte.
Indessen aber der Ring auf eine Steinplatte rollte und mit so einem hellen wunderbaren Klang zu seiner Stille fand, dass Orpheus diesen Ton in seinem Gesang aufnahm - seinem schönsten.
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