Literaturpreisverleihung an Martin Mosebach - 21-05-2017 - Verlag-Blaues-Schloss

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Veranstaltungen 2017




Literaturpreisverleihung an
Martin Mosebach    
So., 21. Mai 2017, 11 Uhr, Café Vetter


Ludwig Legge begrüßte den Preisträger Martin Mosebach     
    
In  seiner Moderation würdigte Ludwig Legge den Preisträger als Autor mit  klarem Profil, das ihn aus der Masse ausufernden Schrifttums unserer  Tage deutlich hervorhebe. Sein Profil sei nicht Meinung, sondern Stil.  Martin Mosebach ist nicht nur erfolgreicher Romancier, sondern  gleichzeitig brillanter Essayist. Der singuläre Stilist werfe einen  unbestechlichen Blick auf die in Auflösung befindliche postbürgerliche  Gesellschaft.
        
Martin Mosebach schwimmt nicht im Mainstream. Er ist ein Solitär, heißt es in der Verleihungsurkunde.



Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies ergriff das Wort
             
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies begrüßte den Preisträger  Martin Mosebach, den Laudator Dr. Prinz Asfa-Wossen  Asserate, Herrn  Legge und das Publikum im Café Vetter „an einem der schönsten,  traditionsreichsten und auch am besten für die Literatur am Sonntag  Morgen geeigneten Orte.“
      
Der Literaturpreis der Neuen Literarische Gesellschaft zeichne  sich, so fuhr Spies fort, gerade durch die für diese Stadt so eigene  bezeichnende Weltoffenheit aus, wenn man die bisherigen Preisträger  Galsan Tschinag aus der Mongolei, Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate und  dieses Jahr Martin Mosebach betrachtet. Der Bezug des Letzteren zu  Frankfurt als eine weitere weltoffene Stadt, setze diese Tradition der  Stadt Marburg in schöner Weise fort. Zudem spiegle die Art des Preises,  der demokratisch und publikumsnah vergeben wird, den  zivilgesellschaftlichen Charakter dieser Stadt der Bürgerschaft wider,  dass also Bürger in dieser Stadt an ganz vielen Projekten, Initiativen  und Entwicklungen mitwirken.
Des Weiteren wies Spies darauf hin, „dass Marburg ja wie nicht  sehr viele Städte eine Stadt des Wortes ist“ und eine Stadt, „die auf  eine jahrhundertelange Tradition von Lesezirkeln, von  Literaturbefassungen zurückblicken kann.“


Die Neue Literarische Gesellschaft mit ihrer 43-jährigen Tradition und  entstanden aus der kulturellen Aufbruchsbewegung der 70-er Jahre  bezeichnete Spies als das Flaggschiff der Marburger Literaturszene,  weshalb ihr Preis über die Stadt hinaus Beachtung finde.
Er bedankte sich für den fast vollständig ehrenamtlich zustande  gekommenen Preis und überbrachte im Namen des Magistrats herzliche Grüße  u.a. von Kulturdezernentin Dr. Kerstin Weinbach und Bürgermeister Dr.  Franz Kahle.

Laudator Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate charaktersiert den Literaturpreis der Neuen Literarischen Gesellschaft

Einen schönen, guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren,  sehr verehrter Herr Oberbürgermeister, lieber Herr Legge, lieber Martin  Mosebach. Bevor ich in die Laudatio einkehre, möchte ich noch als  ehemaliger Preisträger ein paar Worte zu diesem grandiosen Preis sagen.  Es ist vorher gesagt worden und ich möchte es wirklich von ganzem Herzen  wiederholen: der Marburger Literaturpreis hat in der großen  Preislandschaft Ausnahmecharakter. Er wird eben nicht von einer  Berufsjury vergeben, sondern von Literaturfreunden wie Ihnen, meine  Damen und Herren, unseren Lesern und Zuhörern vor allem von Lesungen.  Mit dem Preis verbunden ist natürlich auch der Wunsch nach weiteren  Kontakten und Lesungen. So finde ich entstehen spezielle Marburger  Kontakte und Bezüglichkeiten. Der Herr Oberbürgermeister hat es vorhin  gesagt, diese Kontakte reichen inzwischen von Äthiopien bis zur  Mongolei. Ich versichere Ihnen, Auftritte im Marburger Literaturcafé  Vetter bleiben für jeden Autor etwas ganz Besonderes. Nun, meine sehr  geehrten Damen und Herren, es ist mir eine große Freude, ein ganz  besonders Vergnügen, heute als Laudator eines Mannes zu Ihnen zu  sprechen, der wahrlich ein Unikum der deutschen Literaturwelt ist.“

Laudatio   Martin Mosebach
von Dr. Prinz Asfa Wossen Asserate
    
(in einer Zusammenfassung)       
       
„Ich habe Literatur geschrieben,
um in ihr zu leben."
    
Dieser Satz –gesprochen von dem rumänischen Schriftsteller  Mircea Cartarescu, in seiner Dankesrede zur Verleihung des Leipziger  Buchpreises 2015, ist für Dr. Prinz Asfa Wossen Asserate auch zutreffend  für das Leben und Wirken seines Freundes Martin Mosebach.
    
Denn Mosebach „lebt Literatur mit aller Konsequenz, seit vielen  Jahrzehnten. Das hat ihn zu einem der besten deutschsprachigen Autoren  der Gegenwart geformt“, stellte Asserate die Beziehung zum vorherigen  Zitat her.
        
Martin Mosebach wurde bei der Verleihung des Georg Büchner  Preises als ein Autor charakterisiert, der „stilistische Pracht mit  urwüchsiger Erzählfreude verbindet und dabei ein humoristisches  Geschichtsbewusstsein beweist, das sich weit über die europäischen  Kulturgrenzen hinaus erstreckt; ein genialer Formspieler auf allen  Feldern der Literatur und nicht zuletzt ein Zeitkritiker von  unbestechlicher Selbständigkeit."
        
An Preisen und Auszeichnungen für sein literarisches Schaffen  mangelte es Martin Mosebach nicht. Auch Feuilletons verweilten in einem  kontinuierlichen Crescendo. Was die Kritik an seinen Romanen immer  wieder hervorhebt, ist „das Vertrauen in die groteske Wendung und das  Auge fürs sprechende Detail, die Satzbaukunst, die von „formvollendetem  Stil" zeuge oder die „federnd wohlgefügten Satzperioden." „Diese  Stilkunst, die durch Eleganz, geistreiche Ironie, Anmut und Kühnheit  überzeugt, ist freilich keine artistische Selbstfeier. Jedes Wort,  welches das Gewöhnliche ins Kostbare zieht, dient der Durchleuchtung  einer sprachverwahrlosten Gegenwart", so Michael Braun, anlässlich der  Verleihung des Literaturpreises der Konrad-Adenauer-Stiftung.
        
In einer Rezension seines Romans „Mogador“ in der „Zeit“, schrieb  der Autor Martin Brinkmann: „Martin Mosebach ist wohl einer der letzten  großen Wahrnehmungs  und Sprachkünstler unserer Literatur.“
  
Der Laudator bezeichnete Martin Mosebach als
„einen Meister des literarischen Gemäldes.
Ihm gelingt es, ganze Romane zu malen.“

Das brachte Prinz Asfa Wossen Asserate zur Frage: „Aber was ist Schönheit eigentlich?"
Er stellte zwei Definitionen aus der Antike vor, die in einem  gewissen Gegensatz zueinander stehen, aber den Schreibstil Mosebachs  treffen. Die eine Definition aus dem Umfeld der Schule des Pythagoras  bezeichnet die Schönheit „als die richtige Übereinstimmung der Teile  miteinander und mit dem Ganzen". Eine andere Definition, die auf Plotin  zurückgeht, bezeichnet Schönheit „als das Durchleuchten des ewigen  Glanzes 'des Einen' durch die materielle Erscheinung."
       
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb: „Die geschliffene,  bildreiche, das Gewöhnliche ins Kostbare ziehende Sprache, die reflexive  Durchdringung dessen, was beschrieben wird, das spielerische Zusammenspiel der Figuren wie auf einem tableau vivant, das Vertrauen in  die groteske Wendung und das Auge fürs sprechende Detail   alles ist  schon da."
Martin Mosebach diagnostizierte ein „die ganze Öffentlichkeit  erfüllendes Mißtrauen gegen jede Art von Schönheit und Vollkommenheit".

Woher wirken diese Charakteristika in seinen Romanen
" Das Bett“, „Die lange Nacht“, „Das Beben“
und all die anderen bei aller Eigenart so vertraut?

Kermani kommt zu dem Schluss: „Wir müssen weiter zurückgehen als bis  zu Heimito von Doderer, noch weit vor Marcel Proust, weiter als Stendhal  oder Honoré de Balzac, dem realistischen Roman des 19. Jahrhunderts,  mit dem Mosebach oft assoziiert wird, noch vor Eichendorff oder Moritz,  wir müssen zurückgehen an den Anfang des modernen Romans, um den  Ursprung des Mosebachschen Tons zu finden. Wir müssen zurückgehen bis  zum scharfsinnigen edlen Herrn Don Quijote de la Mancha des Miguel de  Cervantes Saavedra."
      „So wie Cervantes mit seinem Don Quijote verwirft Mosebach in  seinen Romanen einen überholten, von festgefügten Formen, Werten und  Ritualen bestimmten Entwurf des Lebens und Schreibens, gerade indem er  ihm bis aufs Äußerste verpflichtet zu sein scheint.."
Menschen, die Martin Mosebach nicht persönlich kennen, sehen in  ihm deshalb gern die Personifikation des Reaktionärs. In seiner  selbstironischen Art stellt er sich gelegentlich auch selber so dar.
    
Der Laudator habe Martin Mosebach
in den 45 Jahren
in keiner Weise
als zynischen Reaktionär erlebt.

Für ihn ist er ein Konservativer im besten Sinne dieses Wortes, ein  veritabler Bewahrer des Schönen, Wahren und Guten. "Tradition ist nicht  das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme", formulierte  Thomas Morus, schon im 15. Jahrhundert. Tradition erfordere  Leidenschaft, Demut, Eifer und Durchhaltevermögen. Wenn an die Stelle  von Demut und Durchhaltevermögen Stolz und Sprunghaftigkeit treten und  an die Stelle von Leidenschaft und Eifer Spaß und Gleichgültigkeit, dann  könne diese Tradition schnell sang  und klanglos verpuffen. Hinter  Martin Mosebachs Konservatismus throne die Überzeugung, dass man keine  Traditionen und Formen übernehmen dürfe, ohne ihre kulturellen,  religiösen und philosophischen Hintergründe genau zu kennen.
   
„So absurd es deshalb wäre, Cervantes zum letzten Vertreter des  mittelalterlichen Ritterromans zu erklären, so abwegig ist es, Martin  Mosebach für einen Reaktionär zu halten, der mit seinen Romanen die  bürgerliche Welt zu restaurieren suche.“
Asserate verwies auf ein Zitat von Friedrich Schillert „Die Quelle  aller Geschichte ist Tradition, und das Organ der Tradition ist die  Sprache."    
    
Dann schloss er seine Laudatio mit den Worten:     
    
„Lass mich, lieber Martin, diese Laudatio in der Hoffnung  beenden, dass du uns noch mit vielen neuen Werken beseelen wirst, die  helfen, unsere guten Traditionen mit feuriger Glut zu bewahren.“

„… Großer Dank. Rührung, Dank, Freude“.
    
Mit  diesen Worten fasste der Preisträger Martin Mosebach seine Freude  zusammen. „Es ist etwas ganz Besonderes, in dieser Weise ausgezeichnet  zu sein von den Lesern.“
Die professionelle Literaturkritik hingegen bewege sich oft auf  anderen Pfaden, hob der Autor hervor, und dass, wenn die Leute wirklich  lesen, dann habe das mit einem Erlebnis zu tun. Jedesmal, wenn er eine  Leserin oder einen Leser gefunden habe, „der wirklich sich hat ergreifen  lassen, dann ist es ein Erstaunen, etwas, was der Autor gar nicht für  möglich gehalten hat.“
      
„Ein Buch ist wie eine Flaschenpost, die man zugekorkt in den Fluß  wirft und nicht weiß, wer wird sie auffinden“, verbildlichte der  Preisträger Martin Mosebach sein Verhältnis zum Leser, das wohl sehr  viel mit einem großen weiten Meer, wuchtiger Brandung und starken  Bildern, Gedanken und Gefühlen in einer kleinen im gleitenden Wasser  wippenden Flasche zu tun hat.
      
Aber nicht nur am Strand gibt es starke Momente, sondern auch:  „Hier, also heute ist es nicht ein Leser oder eine Leserin, sondern ein  ganzer Kreis und deswegen ein besonderer Moment in meinem Leben.“
        
Dann präsentierte der Autor eine kleine Auswahl aus seinem Roman  Mogador. Der Name Mogador hatte ihn immer begeistert. „Ich fand ihn  magisch, ich fand ihn zauberspruchartig, noch bevor ich diese Stadt  betreten habe“, so Mosebach. Sein Roman Mogador sei „ein Produkt der  Phantasie. Es ist eine eigene Welt, obwohl diese Phantasie vielfältig in  Realität wurzelt.“   
    
In dem Buch geht es um einen jungen Geschäftsmann, der sich in eine Unterschlagung hat

„hineinverwickeln  lassen und der nun sieht, dass sie entdeckt wird und dass sich das Netz  um ihn herum zuzieht und dass er kurz vor der Enttarnung steht. Er  stürzt davon und versucht, der Verhaftung zu entgehen, von der er  glaubt, dass sie unmittelbar bevorsteht. Und wohin flieht er? Er fliegt  nach Marokko aus einem bestimmten Grund. Er hat für die Bank schon  einmal etwas nicht ganz Sauberes getan und ist mit einem Großkunden der  Bank in Berührung gekommen, einem marokkanischen Finanzier, der zu  dieser Abwicklung des Geschäftes einen Gefallen versprochen hat.“
        
Dann las der Autor zuerst eine Szene vor „wie Patrick Ellf, so heißt der Held, diesen Großfinanzier aus Marokko kennenlernt:   
"Ellf war überrascht, einem derartig jugendlichen Mann zu  begegnen mit tailliertem Nadelstreifenanzug und kaum gelichteter,  sorgfältig coiffierter caramelbrauner Löwenmähne. Aber der Händedruck  war knochig und kühl. Der Begrüßung wusste er einen Anschein von  Herzlichkeit zu verleihen. Erst an dem Tisch, der abseits in einer  Nische stand, war mehr als die gertenschlanke, hyperbewegliche  Silhouette zu erkennen. ….“
   
Es folgte das inhaltsreiche Rieseln der Zeit. Aber nicht in Form  des zermahlten sprachlosen Endzustands menschlicher Worte und  menschlichen Tuns: des Sandes, sondern in Form eines rieselnden  Reichtums an Metaphern, an umgriffenen Begriffen. Die Worte sind mit der  Hand umfasst. Sie stechen, brennen, kühlen gleichsam wie Gegenstände in  ihrer Beschaffenheit und in ihren Merkmalen. Selbst Charakter,  Versuchung, Haltung, Schwäche und Begierde schimmern an den Figuren  vollkommen abtastbar auf.       
Asserate hatte in seiner Laudatio nicht zu viel versprochen.
   
Zum Buch: (Verlagsangaben)
        
     Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
      Rowohlt; Auflage: 3 (19. August 2016)
      ISBN: 978-3498042905
      22,95 €
    
    
Nicht immer wird ein Sprung aus dem Fenster zum Sprung in eine andere Welt. Aber als der junge, auf der Karriereleiter seiner Bank schon ziemlich hoch hinaufgelangte Patrick Elff nach einem Gespräch im Polizeipräsidium aus dem Fenster springt, ist das der Beginn einer gefährlichen Reise. Er hat betrogen, die Entdeckung steht bevor. Nun sucht er Hilfe bei einem mächtigen marokkanischen Finanzmann, der ihm  noch einen Gefallen schuldet, und flieht nach Mogador.

    
Doch auch in der Stadt an der marokkanischen Atlantikküste  erweist sich das Untertauchen als schwierig. Um der Aufmerksamkeit der  Polizei zu entgehen, mietet er sich nicht in einem Hotel, sondern im  Haus der Patronin Khadija ein, einem Universum im kleinen, einer  verborgenen Welt mit eigenen, weit jenseits des Normalen liegenden  Gesetzen: Khadija ist Hure und Kupplerin, Geldverleiherin, Zauberin und  Prophetin. Patrick, der sich selbst als einen erlebt, der mehr oder  weniger unfreiwillig in seine Tat hineingeschliddert ist, stößt hier auf  eine Frau, die mit ihrem Willen einen Kult bis zur Selbstvergötzung  treibt. Zum zweiten Mal in kürzester Zeit übertritt er die eben noch  unverrückbar scheinenden Grenzen seines Lebens, sieht die Geisterwelt,  lernt Schrecken kennen, die irdische Strafen übersteigen.
Mogador ist beides zugleich, Kriminalfall und Seelenreise,  genaueste Wirklichkeitsbeobachtung und ins Dämonische ausschweifende  Phantastik. Wie immer stehen Menschenschilderungen in der Mitte von  Martin Mosebachs Erzählen: die unheimliche Khadija und ihr illoyales  Faktotum Karim, der mächtige Monsieur Pereira und Patricks kühl  ironische Ehefrau Pilar. Die Reise nach Mogador wird zum Traum, der  Patrick Elff auf den Boden der Realität zurückführt.

Prinz Asfa-Wossen Asserate
Die neue Völkerwanderung: Wer Europa bewahren will, muss Afrika retten
Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Propyläen Verlag (20. Oktober 2016)
ISBN: 978-3549074787
Preis: 20,00 €
    
    

    


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